Text Reuchlins durch Reuchlin-Schüler erstmalig übersetzt 

Das Vermächtnis unseres Namenspatrons und unser Alleinstellungsbereich 

Die dynamische fünfköpfige Projektgruppe, bestehend aus Julius Birk, Corinne Brassat, Luca Brunner, Maximilian Hammrich und Daniel Hutter, widmete sich unter der Leitung des Herrn Boyé auch im Schuljahr 2022/2023 Johannes Reuchlins bislang noch nicht aus dem Lateinischen übersetzten Predigthandbuch mit dem langen Namen Liber congestorum de arte praedicandi. Er schrieb es in der Pestquarantäne des Jahres 1502. Dass der Beginn der Übersetzung, der sich einer Neuübertragung des Widmungsbriefes zu Reuchlins Hebräischgrammatik anschloss, in der Hochphase der Corona-Pandemie mit ihren Quarantänephasen zu liegen kam, ist immerhin ein denkwürdiger Umstand. 

Die Projektgruppe, nun im Jahrgang des Abiturs angekommen, konnte sich in diesem Schuljahr angesichts der schulischen Prioritäten nicht in der gewünscht engen Vertaktung treffen. Dennoch ist der zweite Durchgang heute so gut wie abgeschlossen. Nach einem dritten Durchlauf und der Abfassung einer Kommentierung wird das Werk in einigen Monaten der Öffentlichkeit präsentiert werden können. 

Den Mitgliedern der Gruppe fiel an mehreren Stellen auf, dass Reuchlin in seinem Ratgeber den Adressaten, in erster Linie den Mönchen des Klosters Denkendorf, wo Reuchlin mit seinem Hauswesen Zuflucht gefunden hatte, das eine oder andere Mal ziemlich unchristliche Tricks empfiehlt. Auch wurde deutlich, dass er – wegen der Ausnahmesituation oder aus anderen Gründen – manche Passagen „in Zusammenarbeit“ mit Cicero, Quintilian, dem Auctor ad Herennium und anderen verfasste. In groben Zügen hält die Gruppe auch dies fest. 

Für die Wissenschaft bleibt hier noch einiges zu tun. Zum Problem, dass auch heutige Akademiker  nicht nur über das Predigthandbuch in Unkenntnis Falsches verbreiten, sondern nach wie vor aus lateinischen Quellen falsch übersetzen oder falsch Übersetztes ungeprüft verbreiten (was eigenes Übersetzen fern jeder künstlichen Intelligenz weiterhin in vollem Umfang unverzichtbar macht!), wird im Rahmen des Festaktes zur Veröffentlichung des Projektergebnisses manches Erstaunliche zu hören sein. 

 

Text: Karl Boyé

Photo: Julius Birk